+++ Größte Luftraum-Überwachung aller Zeiten +++ Sogar der Rhein wird gesperrt +++ Scharfschützen beziehen Position +++
Bush kommt –
Deutschlands Mitte steht still
Ein Report von MARTIN S. LAMBECK, ALBERT LINK, MICHAEL REMKE, LAURA SALM, VOLKER TACKMANN und MIKAELA WOLF
US-Präsident George W. Bush
Sie wählten Mainz als Ort für die Begegnung von US-Präsident und Bundeskanzler, weil die Stadt am Rhein so „gemütlich“ ist. „Cozy“ wie die Amerikaner sagen. Doch wenn George W. Bush (5
am Mittwoch dort eintrifft, wird davon nicht mehr viel zu spüren sein. Dann wird die gesamte Rhein-Main-Region zur Festung, die selbst für Terroristen unangreifbar scheint. Und Mainz wird zur sichersten Stadt der Welt...
Offiziell ist alles top-secret, denn für den zweiten Deutschland-Besuch des US-Präsidenten gilt die höchste Sicherheits- und damit Geheimhaltungsstufe. Dennoch ist sicher: Der Aufwand, mit dem George W. Bush beschützt wird, ist in der deutschen Geschichte ohne Beispiel.
Für die Bevölkerung von Mainz und Wiesbaden, wo der Präsident einen kurzen Truppenbesuch plant, hat das zum Teil groteske Folgen: Wer nicht unbedingt arbeiten muß, nimmt „Bushfrei“, um dem drohenden Verkehrsinfarkt zu entgehen.
Schulen, Kindergärten, Geschäfte und selbst die Ambulanz der Uni-Klinik (sie ist für Notfälle beim Staatsbesuch vorgesehen) bleiben geschlossen. Polizisten vergleichen entlang der wahrscheinlichen Präsidentenroute Tausende Klingelschilder mit den Listen des Einwohnermeldeamts – Terroristen könnten sich irgendwo eingenistet haben. Sicherheitskräfte versiegeln Garagen, hängen Zigarettenautomaten ab, sprechen Park- und sogar Balkon-Betretverbote aus. Alles aus Angst vor einem Attentat.
Vieles von dem, was bei den Anwohnern Kopfschütteln verursacht, geschieht auf ausdrücklichen Wunsch Washingtons. Etwa die Sperrung von Verkehrswegen: Bahnstrecken, Autobahnen (sie werden teilweise zu Einbahnstraßen), Wasserwege auf Main und Rhein – alles dicht. Eine Region im Ausnahmezustand!
Das gilt auch für den Luftraum: Wenn die Präsidentenmaschine „Air Force One“ gegen 9.45 Uhr auf dem Frankfurter Flughafen landet, muß der übrige Flugverkehr für 20 Minuten ruhen.
Vor dem Mainzer Dom verschweißt ein Arbeiter einen von insgesamt 1300 Kanaldeckeln.
In einem Radius von 55 Kilometern rund um das Kurfürstliche Schloß (Tagungsort) gehört der Himmel über Mainz ganztags den Militärs.
Von „neuen Dimensionen“ der Luftraum-Überwachung ist im Verteidigungsministerium die Rede: Vier schwerbewaffnete Jagdflugzeuge der Luftwaffe vom Typ Phantom F 4 F kontrollieren den gesperrten Luftraum bis 3000 Meter Höhe, dazu ein AWACS-Radarflugzeug und Hubschrauber. Gibt es Anzeichen für den „gewollten Absturz“ eines Linienflugzeugs – wie bei der Terrorattacke vom 11. September – kann Verteidigungsminister Peter Struck (62, SPD) den Abschuß befehlen.
Falls die Amerikaner so lange warten: Nach BamS-Informationen stehen auf einer US-Basis eigene Jets bereit, um jeden Angriff zu stoppen.
Überhaupt scheinen die Amerikaner kaum gewillt, sich auf die deutschen Sicherheitsorgane zu verlassen. Ein hoher Beamte aus dem Rhein-Main-Gebiet: „Sie treten wie römische Imperatoren auf, wollen alles kommandieren.“ Während der Vorbereitungsphase – seit Wochen sondieren die US-Geheimdienste die Lage – habe es „unerfreuliche Szenen“ gegeben.
Allerdings ist den Gastgebern klar, daß die Sicherheitsleute des Secret Service weltweit verantwortlich für das Wohl des Präsidenten sind. Aus diesem Grund dürfen sie auch im Ausland Waffen tragen. Ohne ihr Okay würde George W. Bush die Reise niemals antreten. „Er ist nun mal der gefährdetste Mann der Welt“, sagt Wolfgang K. Lembach (52), Sprecher der Landesregierung von Rheinland-Pfalz.
Wie sein hessischer Amtskollege Dirk Metz (4
betont er die Ehre des Bush-Besuchs und will nicht über die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen diskutieren. „Nur soviel: Wer einlädt, zahlt.“ Was bedeutet, daß die Bundesregierung in der Pflicht ist – und damit alle Steuerzahler für die Millionenkosten aufkommen.
Die Mainzer Polizei spricht vom „größten Einsatz“ ihrer Geschichte. „Mehrere tausend Beamte aus fast allen Bundesländern sind im Einsatz. Dazu bekommen wir Unterstützung von Spezialkräften“, sagt Polizeisprecher Reiner Hamm. Ihre Aufgaben reichen vom Verschweißen von 1300 Kanaldeckeln über die Verkehrsplanung bis zu Kontroll-Tauchgängen im Rhein. Am Mittwoch werden Scharfschützen Position beziehen.
Zuversichtlich ist die Polizei nach Vorgesprächen mit den Demo-Veranstaltern, daß die geplante Protestkundgebung unter dem Motto „Not Welcome Mr. Bush“ in geordneten Bahnen verläuft. Erwartet werden zwischen 5000 und 10 000 Teilnehmer der Friedensbewegung. Für Unruhe sorgen Aufrufe rechter Gruppierungen zu eigenen Protestaktionen. „Weder die eine noch die andere Gruppe wird in die Nähe des Präsidenten kommen“, versichert die Polizei.
In Wiesbaden ist die Lage ebenso angespannt. Eine von 15 000 Autos täglich befahrene Ausfallstraße soll Mittwoch ganztägig gesperrt bleiben. Anwohner werden gebeten, ihre Mülltonnen hinters Haus zu stellen und die Jalousien geschlossen zu halten. Grabsteinhändler Bernd Fuchs (41) wurde aufgefordert, sein Steinlager an der Straße aufzulösen – und weigerte sich: „Als ob jemand die Grabsteine als Wurfgeschosse verwenden würde.“
Doch selbst wenn die Panzerlimousine des Präsidenten durch eine tausendfach kontrollierte Geisterstraße rollen wird: Ganz auszuschließen ist der Versuch eines Bombenanschlags nicht. Für diesen Fall haben die Amerikaner nach BamS-Informationen ein Spezialgerät im Gepäck, das alle Sprengkapseln in der Umgebung aufspürt und per Fernsteuerung zündet.
So bleibt bei aller Terrorangst als größte Gesundheitsgefahr für den Präsidenten eine Virusattacke, vor der ihn kein Bodyguard schützen kann. Das Robert-Koch-Institut: „Rheinland-Pfalz gehört zu den Bundesländern, die am stärksten von der Grippewelle betroffen sind“...